Die IG Plakat | Raum | Gesellschaft wollte auf einem Werbebildschirm von APG|SGA ein Sujet veröffentlichen, das der Verein bereits 2023 auf Screens von Neo Advertising ausgestrahlt hatte.
Doch der zu 25% zur NZZ-Gruppe gehörende Marktführer weigerte sich:
Nach Begutachtung ihres [sic!] Sujets beziehen wir uns auf die «Allgemeine Geschäftsbedingungen Digitale Out of Home Werbung» Artikel 7.1, wonach die APG|SGA die Ausstrahlung ohne Angabe von Gründen und im eigenen Ermessen ablehnen kann.
— E-Mail von APG|SGA vom 26.07.2024
Da sich der betreffende Bildschirm auf Privatgrund befindet, bot die IG PRG deshalb an, die Ausstrahlung auf einen Bildschirm auf öffentlichem Grund, der der SBB gehört, zu verschieben. Die IG PRG ist der Ansicht, dass ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. März 2011 genau diesen Fall schützt:
Abschliessend ist daher festzuhalten, dass das Verbot, das fragliche Plakat zum Palästina-Konflikt im Hauptbahnhof Zürich aufzuhängen, die Meinungsfreiheit verletzt.
— Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts A-7454/2009 vom 29.03.2011
Doch erneut weigerte sich die APG, das Sujet auszustrahlen. Das ist nicht nur zynisch, sondern demokratiepolitisch problematisch:
Erstens agiert die APG als privatwirtschaftliche Zensurstelle, die darüber bestimmt, welche Inhalte im öffentlichen Raum zu sehen sind, obwohl sie im Nachhaltigkeitsbericht schreibt: «Die APG|SGA unterstützt und respektiert das subjektive Recht auf freie Meinung und Werbung und waltet nicht als Zensurstelle» (S. 20).
Zweitens tut sie dies, obwohl das Bundesverwaltungsgericht klare Worte gesprochen hat, dass dies nicht zulässig ist.
Drittens tut sie dies, obwohl die Branche nicht müde wird zu sagen, dass das Medium Plakat wichtig sei für die Demokratie, die politische Meinungsäusserung und die Informationsfreiheit.
Und viertens, in einem grösseren Zusammenhang betrachtet, zeigt sich eine fatale Entwicklung für die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit. Das Duopol der Schweizer Aussenwerbung ist jetzt fest in den Händen der beiden mächtigen Medienhäuser NZZ (25% von APG) und TX Gruppe (100% von Goldbach Neo). Es ist nicht zu erwarten, dass diese beim Thema Aussenwerbung als vierte Gewalt agieren und sachlich und neutral berichten werden, was wichtig wäre, da dieses Thema in verschiedenen Städten in den Parlamenten verhandelt wird. Keine einzige der zur TX-Gruppe gehörenden Tamedia-Zeitungen hat beispielsweise über den 87-Millionen-Franken-Deal berichtet, mit dem sich die Gruppe Clear Channel einverleibt und damit das Aussenwerbungs-Duopol wieder eingeführt hat. Für Beobachter:innen ist auch augenfällig, wie es seither in den Tamedia-Zeitungen keine kritische Berichterstattung zum Thema gegeben hat. Bei der NZZ ist der Fall etwas anders gelagert, da bereits vor der Akquisition von 25% der APG-Aktien ein neoliberaler Ton die Berichterstattung über Aussenwerbung dominiert hat.
Mit der Weigerung, das Sujet der IG PRG zu veröffentlichen, bahnt sich eine gefährliche Entwicklung an, in der privatwirtschaftliche Akteure darüber bestimmen, was im öffentlichen Raum zu sehen ist und was nicht. Es ist zu hoffen, dass auch die Politiker erkennt, dass diese illiberale Praxis zu unterbinden ist.
PS: Dasselbe Sujet wurde vor einigen Tagen auch bei Goldbach Neo in Auftrag gegeben. Theoretisch läuft die Kampagne, praktisch aber wurde noch kein einziger Spot ausgestrahlt.
Nachtrag, 10.8.24: Auf medialen Druck und/oder Druck der Eigentümerin SBB Immobilien hat die APG das Sujet nun zugelassen. Ob die IG PRG es wirklich ausstrahlen will, ist noch nicht entschieden.