Die Winterthurer FDP möchte gerne die Werbebemalungen der Stadtbusse durch Werbebildschirme ersetzen. Die Forderung greift zu kurz.
Am Dienstag auf S. 18 in der Papier-NZZ, ich hätte es beinahe übersehen: «Werbespots in den Winterthurer Bussen?»: Die FDP orte weiteres Werbepotenzial in den Winterthurer Stadtbussen und erkundige sich nach Möglichkeiten, die Bildschirme des neuen Fahrgast-Informationssystems für Werbung und Kurznachrichten zu nutzen.
Überraschend ist folgende Wendung: Die FDP fragt sich, ob mit Werbung auf den Bildschirmen die lästige Ganzbus-Werbung, die die Sicht auf die Stadt versperrt und auf den Schienen der Zürcher VBZ immer häufiger zu sehen ist, eliminiert werden könnte.
An sich ein nobles Unterfangen. Doch die FDP vermag – jedenfalls im NZZ-Artikel – nicht überzeugend darzustellen, weshalb es überhaupt Werbung braucht. Die Zahlen, die ich einmal für Zürich ausgerechnet habe, scheinen in Winterthur etwa gleich zu sein: 1,5 % der Gesamteinnahmen werden durch Werbung gedeckt. Und: Diese Einnahmen decken gerade mal die Hälfte dessen, was der Betrieb selbst für Werbung ausgibt.
In den New Yorker Taxis hängen überall Touch Screens mit dem wenig innovativen, dafür weit verbreiteten Strickmuster Information–Werbung–Unterhaltung (das, wie überall, weder besonders informativ noch besonders unterhaltend ist). Es gibt einen Knopf, mit dem man den Bildschirm ausschalten könnte. Bloss funktioniert er oft nicht, und wenn er funktioniert, dann bleibt immer noch etwas auf dem Bildschirm. Diese Bildschirme sind derart penetrant, dass sie den Blick erbarmungslos aufsaugen. Ich habe versucht, durchs Fenster auf Manhattan und Brooklyn zu blicken, aber ich habe es nicht geschafft, bis ich den ganzen Bildschirm mit meinem Gepäckstück abgedeckt hatte.
Und so darf man sich fragen, ob die FDP-Interpellation nicht zu kurz greift, wenn sie die störenden Werbungen durch andere störende Werbungen ersetzen will und meint, dass die Fahrgäste dann das Stadtbild geniessen.
Ein funktionierendes Gemeinwesen hat seinen Preis. Wenn wir wollen, dass die Leute die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, dann haben das Gemeinwesen und die Nutzniessenden diese Kosten zu tragen. Dass ständig und immer wieder versucht wird, mit Werbeeinnahmen ein Teil davon zu kompensieren, zeigt, wie tief wir bereits im alles durchdringenden Vermarktungsparadigma versumpft sind.
Für rund 6.50 Franken pro Einwohner könnte der Winterthurer Stadtbus komplett werbefrei verkehren. Das wäre ein innovatives Ziel, liebe FDP. Ein Ziel mit Ausstrahlung, das zeigt, wie stolz die Winterthurerinnen und Winterthurer auf ihre Stadt sind.