Blog: Nicht schon wieder was über die Minarett-Plakate!

Interessant an der Diskussion über die Minarett-Plakate ist höchstens noch die Doppelzüngigkeit gewählter Politiker. Und jene der Plakatgesellschaften.

Schon wenige Tage nach der Präsentation der zweifelhaften Plakate der Minarett-Gegnern, hatte sich das Thema eigentlich totgelaufen. Jetzt tröpfeln jeden Tag die Namen einiger Städte rein, die das Plakat zugelassen oder verboten hatten.

Bemerkenswert an dieser Diskussion scheinen mir zwei Dinge.

Mit Ausnahme der Sendung auf Schweiz Aktuell (oder wo?), wurde kaum je bemerkt, dass einige der Städte, die das islamfeindliche SVP-Plakat zugelassen haben, das gottlose Freidenker-Plakat verboten haben. An der Gestaltung des Plakats kann es nicht gelegen haben, zeigt doch das SVP-Plakat sieben raketenähnliche Minarette, die die heilige Schweizerfahne durchbohren und eine verhüllte Frau, die das christliche Kreuz verdeckt, während sich die Freidenker im einen Fall für einen blauen Himmel, im andern für eine reine Typo-Lösung entschieden haben. Und weshalb nur die Städte sich rechtfertigen müssen, als ob das Plakat nicht auch für die ländlichen Plakatstellen gemacht wurde, soll mir einer mal erklären.

Noch bemerkenswertester ist jedoch, dass niemand jene zur Verantwortung zieht, die die Diskussion im Keim hätten ersticken können. Jene, die damit auch noch Geld verdienen: die Plakatgesellschaften.

Wir lesen im Affichage-Leitbild: «Das Leben der kulturellen Vielfalt und deren Akzeptanz stärkt unsere Organisation als Ganzes.» Zur Affichage gehört auch die Europlakat, die u.a. in Bosnien und Herzegowina (43,7 % Muslime) vertreten ist. Das Leben der kulturellen Vielfalt stärkt die Organisation eben nur in dem Masse, wie sie die Erfolgsrechnung stärkt.

Ohne das kleinste Problem hätte die APG das Sujet ablehnen können. In Absprache mit Hauptkonkurrentin Clear Channel wäre das noch weniger ein Problem gewesen. Das Schweizer Plakatmonopol (bzw. Duopölchen) lässt solche Entscheidungen zu. Doch die Filtermechanismen haben versagt.

Derweil gerät die Schweiz in helle Aufregung. Unzählige juristische Einschätzungen und Stadtratssitzungen kosten die Steuerzahler Geld. Unser beschauliches, drei- und mehrsprachiges Land wird rund um den Erdball als fremdenfeindlich gebrandmarkt. Aber die APG, die das Ganze hätte stoppen können, befindet es nicht einmal für nötig, eine Stellungnahme zu veröffentlichen.

In einer Studie, die ich demnächst in diesem Blog besprechen werde, hat sich gezeigt: Die zwei grossen Plakatgesellschaften haben kein Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung. (Die Kleinen interessanterweise schon.) Weshalb wir unseren öffentlichen Raum, also den Ort, wo die gesellschaftliche Bewusstwerdung stattfinden sollte, diesen Unternehmen überlassen, wird mir immer ein Rätsel bleiben.

Dieser Beitrag von Christian Hänggi erschien ursprünglich auf dem Blog des Werbe- und Kommunikationsbranchenportals persoenlich.com.