Blog: Krieg und Werbung: Ein schönes Paar!

Es ist alte Erkenntnis, dass Kriegsführung und Werbung in einem intimen Verhältnis zueinander stehen. Doch es lohnt sich, manchmal wieder darüber nachzudenken, denn die wichtigste Folgerung wird von beiden Industriezweigen mutwillig missachtet.

In unserer beschaulichen befriedeten Schweiz existiert Krieg nur noch in der Rekrutenschule, im Wiederholungskurs und in den Auslandsnachrichten. Doch wenn wir sehen, wie Werbung in allen Lebensbereichen fraglos in Kauf genommen wird, sollten wir uns daran erinnern, dass der Begriff Werbung bis Mitte des 19. Jahrhunderts ausschliesslich die Rekrutierung von Söldnern bezeichnete und erst später durch die heutige Bedeutung der Rekrutierung von Konsumenten ersetzt wurde.

Ebenso: Wenn von einer Kampagne die Rede ist, dann denkt niemand mehr an den Feldzug, sondern an H&M, Media Markt und Migros-Budget. Wenn heute von einer Offensive die Rede ist, dann denkt niemand mehr an die militärische Offensive, sondern an Fussball. Und an Werbe-Offensiven. In der PR und der Werbung hat sich ausserdem der wunderbar-abstossende Begriff der Charme-Offensive eingebürgert. Charme-Offensiven werden eingesetzt, um das Publikum mit netter Propaganda einzulullen (Propaganda kennen wir aus allen neuzeitlichen Kriegen und Nationen). Charme-Offensiven werden vor allem von jenen durchgeführt, die sich in der Defensive fühlen (der Hund beisst, wenn er Angst hat), weil sie in einem Wirtschaftszweig arbeiten, der unbeliebt und ungesund ist. Zum Beispiel die Werbeindustrie. Und manchmal die Erdölindustrie. Und immer wieder mal die Kriegsindustrie.

Man unternimmt also einen Feldzug oder eine Offensive oder eine Kampagne, und weil man das Target oder die Zielgruppen nicht genau kennt und nicht weiss, wo sie sitzen, setzt man Streubomben ein. Streubomben, wie Streuwerbung, führen zu Streuverlusten. Streuverluste nimmt man in Kauf, denn ohne Streuverluste müsste man die Kriegsführung und die Werbung abschaffen. (Der Unterschied zwischen Little Boy und Coca-Cola ist, dass die Opfer der Little-Boy-Offensive keine Coca-Cola mehr kaufen konnten.) Und wenn der Auftraggeber beunruhigt ist wegen der Auswirkung der Streuverluste auf seine Erfolgsrechnung, dann empfiehlt man ihm eben eine Guerilla-Kampagne oder gar etwas Ambush-Marketing.

Wie erfrischend, dass ein Sketch von Monty Python Namensgeber von Spam war!

Doch das sind alles nur Randbemerkungen, denn der ganze PR-, Werbe-, und Marketing-Karsumpel wurde von Männern mit Militärkarriere entwickelt. (Das übelste Schweizer Beispiel ist der Armeefanatiker Rudolf Farner, Gründer der gleichnamigen PR-Agentur, die in letzter Zeit u.a. im Auftrag der Rüstungsindustrie die GSoA bespitzelt hat.)

Die ungeheuerlichste Parallele zwischen der Kriegsführung und der Werbung ist die Sache mit der Abrüstung. Da ich auf Reisen bin, kann ich die relevante Stelle nicht zitieren, was ausserordentlich schade ist. Sie steht irgendwo in Manuel De Landas War in the Age of Intelligent Machines: Eine Erkenntnis der Spieltheorie, möglicherweise im Rahmen des Vertrauensspiels, ist, dass die Abrüstung übers Ganze gesehen und besonders bei asymmetrischer Informationslage am meisten Vorteile bringt. So oder ähnlich. Das wird natürlich weder von der Werbeindustrie noch von der Kriegsindustrie beachtet, da diese durch Paranoia geleitet sind. Die USA kann nicht auf atomare Sprengkörper verzichten, so lange irgendwer in der Welt noch welche gebunkert hat. Sunrise kann nicht auf eine Werbekampagne verzichten (und vielleicht das gesparte Geld in tiefere Gebühren stecken), da sie nicht weiss, ob Orange eine Kampagne plant (anstatt das Geld in den Kundenservice zu stecken).

Und so wie die Werbeindustrie und die Kriegsindustrie die wichtigen Erkenntnisse aus der Volkswirtschaftslehre missachten und einfach die Schlagwörter anwenden, die zwanzig Jahre nach dem KV noch hängen geblieben sind, vielleicht weil die FDP sie immer wieder in die Zeitungen bringt, so zeigen sich beide Industrien resistent gegenüber der vielleicht wichtigsten Erkenntnis aus der Spieltheorie.

Dieser Beitrag von Christian Hänggi erschien ursprünglich auf dem Blog des Werbe- und Kommunikationsbranchenportals persoenlich.com.