Schon bald steht das unbeugsame Dorf Helvetien wieder vor einer Abstimmung. Die Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt» wird Demokratiefetischisten aller Couleurs – freilich ein kleiner Teil der Bevölkerung – an die Urne oder wenigstens zum blassgelben Briefkasten mit den geschwungenen Linien bringen.
Wie die Abstimmung ausgehen wird, ist nicht abzusehen. Die Muster gleichen jedoch jenen von anderen Abstimmungskämpfen. Rechts hat viele Batzeli für den Abstimmungskampf, links hat wenig. Rechts manipuliert die erwarteten Auswirkungen der Vorlage bis ins Unkenntliche, links geht auf Schmusekurs.
(Für mich ist der Fall klar: Jede Waffe im Umlauf ist eine Waffe zu viel. Rekruten mit Milchbubigesichtern, die mit ihren Gewehren an den Bahnhöfen rumstehen und ein- oder ausrücken, verängstigen einen Teil der Bevölkerung und einen Grossteil der Touristen. Und Pump-Guns wie jene, die der Zuger Attentäter Friedrich Leibacher mitführte, als er 2001 vierzehn Politiker tötete, gehören verboten, wie es die Vorlage will.)
Neu an diesem Abstimmungskampf scheint mir, dass die Rechte nicht so recht weiss, mit welchen Plakaten sie die Gunst der Bevölkerung gewinnen will. Das eine pocht auf Schweizer Werte. Es unterstellt mir, dass ich kein eigentlicher Schweizer bin (vielleicht bin ich tatsächlich eher Kosmopolit). Es ist soft und unspektakulär, was etwas ungewöhnlich ist.
(Mein Tipp an alle, die diesen Werten nachhängen: Bringt das Gewehr ins Zeughaus und stellt eine Trompete in den Kleiderschrank. Tretet dem örtlichen Musikverein bei, spielt schöne Schweizermärsche und politisiert nach der Probe bei einem Kübel am Stammtisch über die Zukunft der Schweizer Werte.)
Das andere Plakat steht hart in der Tradition der rechten Abstimmungspropaganda. Gezeigt wird ein höhnisch grinsender (und mit Sicherheit ausländischer) Verbrecher, der mit seiner Waffe direkt auf den Betrachter zielt. Dass die Aussage faktisch inkorrekt ist, ist das eine Problem. Das andere ist, dass mit diesem Plakat Waffengewalt und Aggression in friedliche Quartiere gebracht wird. Das ist nun schlicht nicht nötig, ja es ist eigentlich eine Riesenschweinerei. Wären Akte des zivilen Ungehorsams (im Werbejargon: Vandalismus) nicht ungesetzlich, würde ich zum Abschuss dieser Plakate aufrufen. In Notwehr natürlich.
(Übrigens hingen die Plakate mit dem kriminellen Ausländer reihenweise im Zürcher Hauptbahnhof, wo ich einmal von einem Neo-Nazi, der sicherlich auch dachte, dass er Schweizer Werte vertritt, spitalreif geschlagen wurde.)
Szenenwechsel. Im Kanton Zürich müssen die Kugelfänge von Schiessständen saniert werden. Die NZZ schreibt: «Der Kanton übernimmt Anteile der die Schäden verursachenden Schützenvereine, weil diesen das Geld fehlt oder weil sie gar nicht mehr existieren.» Warum fehlt es an Geld? In den vergangenen drei Jahren hat jede Schützin und jeder Schütze brav eingezahlt, um dem Waffeninitiativen-Abstimmungskampf 975 000 Franken zuzuführen. Vielleicht ist das nicht so viel, aber es ist zwischen 6 und 10 Mal mehr als die SP aufwenden kann. Dies scheint mir ein bezeichnendes Verhalten zu sein, das sich überall auf vielfältige Weise manifestiert (BP, Stromlobby, Nestlé etc.). Wir können verschmutzen und kaputtmachen, was wir wollen, denn letztlich trägt die Gemeinschaft die Folgen – derweil wir in Propaganda investieren können, um die Imageschäden tief zu halten und weiterhin unsere eigenen Interessen zu verfolgen.
Was wir lernen – wieder und wieder:
- Werbung muss nicht wahrheitsgetreu sein – und schon gar nicht verhältnismässig. Die Macht des besseren Arguments ist nicht mehr demokratisch, sondern etwas für Aufklärungsromantiker.
- Verschmutzen darf man immer – denn bezahlen muss man nur für die Image«kommunikation»
- Die grossen Gewinner von Abstimmungs- und Wahlkämpfen sind die Plakatgesellschaften
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Dieser Beitrag von Christian Hänggi erschien ursprünglich auf dem Blog des Werbe- und Kommunikationsbranchenportals persoenlich.com.