Die Plakatgesellschaft APG|SGA testet im Zürcher Hauptbahnhof die umstrittene Cross-Device Tracking Technologie. Auf Anfrage hält sich das Unternehmen bedeckt und verweist auf eine Pressemitteilung, die am kommenden Montag veröffentlicht werden soll.
Entlang der unterirdischen Perrons im Zürcher Hauptbahnhof stehen zurzeit kleine schwarze Kästchen auf allen Plakatwänden. Da die Geräte nur aufgesteckt sind und sich ohne Weiteres aus den Angeln heben lassen, hat die IG Plakat | Raum | Gesellschaft vor Ort einen Blick ins Innere der Blackbox gewagt. Auffallend ist erst einmal eine schwere Batterie. Sie versorgt das eigentliche Gerät, ein SoundBeacon der Zürcher Firma Barix, mit Strom. Diese kleinere schwarze Box erzeugt eindeutig identifizierbaren Tonfrequenzen, die ein Smartphone registrieren kann und mit derer Hilfe die Geräte – und damit die Nutzer – identifiziert werden können.
Abklärungen der IG Plakat | Raum | Gesellschaft haben ergeben, dass es sich dabei um die sogenannte Cross-Device Tracking Technologie handeln muss, die vor vier Jahren für Aufregen gesorgt hat, als sie vom US-amerikanischen Center for Democracy and Technology kritisiert wurde (siehe den elfseitigen Bericht in englischer Sprache oder Artikel auf Spiegel online und heise.de).
Offenbar testet die Plakatgesellschaft APG|SGA derzeit diese Technologie.
APG hört mit
Sogenannte Sound Beacons oder Audio Beacons senden Töne aus, die ein Erwachsener nicht hört (typischerweise im Bereich von 18–20 kHz), die aber von Smartphones registriert werden können. Dies ermöglicht es beispielsweise Werbetreibenden, sogenannt massgeschneiderte Werbung auf dem Smartphone anzuzeigen.
Problematisch ist diese Technologie, weil sie auch die Bewegungsabläufe der Benutzerin ohne ihr Zutun oder Wissen überwachen kann. Zudem ist dies die einzige einfach einzusetzende Technologie, die es erlaubt, die verschiedenen Geräte einer Nutzerin zuverlässig derselben Person zuzuweisen (daher der Name Cross-Device Tracking: geräteübergreifende Verfolgung). Die Technologie erlaubt es Werbetreibenden, Cookies auf dem Smartphone oder dem Tablet abzulegen, Geräteinformationen oder die IP-Adresse (selbst bei Vorhandensein von Schutzvorkehrungen wie einem VPN- oder TOR-Zugang) auszulesen, das Mikrofon zu aktivieren und vieles mehr. Dazu muss auf dem Smartphone eine App installiert sein. Die notwendige Software kann aber auch, wie es in der Vergangenheit beim führenden Anbieter SilverPush geschehen ist, durch vermeintlich unverdächtige Apps auf das Smartphone geschleust werden und ohne Wissen der Benutzerin Anwendung finden.
Unwissen, Intransparenz und Geheimniskrämerei
Um den geplanten Einsatz der Technologie ist – noch – alles geheim. Weder ein Anruf beim SBB-Kundendienst noch die Anfrage bei der Bahnpolizei konnte Klärung schaffen. Das Gerät, das zum Einsatz kommt, ist auf der Website des Herstellers Barix nicht zu finden. Ein Anruf bei der APG|SGA bestätigte, dass es sich bei der schwarzen Box um einen sogenannten Beacon handelt. Raphael Bratschi, Leiter APG|SGA Interaction, sagte am Telefon, dass die geheimnisumwitterte Technologie noch nicht aktiv sei. Dennoch senden die Lautsprecher bereits jetzt hörbare Signale aus. Bratschi wollte sich bis zur Veröffentlichung der Pressemitteilung am kommenden Montag nicht weiter äussern.
Offene Fragen
Die IG Plakat | Raum | Gesellschaft stört sich daran, dass diese Technologie installiert und in Betrieb genommen wird, ohne die Öffentlichkeit vorgängig zu konsultieren. Wir hoffen, dass die angekündigte Pressemitteilung unteren anderen folgende Fragen klärt:
- Welche Daten will die APG|SGA sammeln, wozu, wo und wie lange werden sie gespeichert? Wem werden sie dereinst verkauft und zu welchem Preis? Welche Massnahmen zum Schutz der Privatsphäre wurden getroffen? Zum Schutz vor Missbrauch durch Dritte?
- Die Audiosignale sind um 18-20 kHz. Das Gehör von Kindern, Hunden, Katzen und anderen Tieren kann diese Frequenz gut wahrnehmen. Wie wird diesem Umstand Rechnung getragen?
- Worin besteht der echte Mehrwert für einen signifikanten Teil der Bevölkerung?
Diese Fragen richten sich natürlich auch an die SBB, die sowohl der Werbung allgemein als der APG im Speziellen ausserordentlich viel Entgegenkommen zeigen.