Swisscom hat bekanntgegeben, dass Beem im Oktober erneut lanciert wird. Beem erlaubt es, Offline- mit Online-Werbekampagnen zu verbinden, damit der Werbetreibende mit dem Smartphone der Benutzerin kommunizieren kann. Es ist das nächste Kapitel einer Markteinführung, die von Desinformationen, verdrehten Fakten und Ablehnung durch die Bevölkerung begleitet war.
Nachdem die IG PRG im Mai die Beem-Kästchen auf den Werbeplakaten entdeckt und publik gemacht hat, hat sich ein Sturm der Entrüstung über Swisscom entladen. Selbst der Bundesrat musste Stellung beziehen (hier und hier). Der Stein des Anstosses war, dass diese Kästchen neben einem Bluetooth-Signal auch ein hochfrequentes Audiosignal emittierten, das es erlaubt, nicht nur mit Smartphones zu kommunizieren, sondern auch Bewegungsprofile zu erstellen und mehrere Geräte eindeutig einer Nutzerin zuzuordnen. Zudem erforderte dies, dass das Mikrofon stets eingeschaltet ist – eine potenzielle Quelle für Missbrauch.
Nachdem das Newsportal Watson ausgestiegen ist und auch 20 Minuten das Projekt vorerst auf Eis gelegt hat, hat Beem die Einführung gestoppt, um erst die Hausaufgaben zu machen und die Bevölkerung weichzukochen. So hat Swisscom beispielsweise bei der SDA einen Artikel in Auftrag gegeben bzw. bezahlt, der Vertrauen in die Technologie fördern sollte.
Skepsis ist angebracht, denn seit Ende Mai hat Swisscom bzw. Beem eine Reihe von Falschinformationen geliefert und sich beharrlich davor gedrückt, Informationen offenzulegen.
Die Verträglichkeit der hochfrequenten Audiosignale für Tiere hat Beem, so wird behauptet, in wissenschaftlichen Tests nachgewiesen. Allerdings weigert sich das Unternehmen bis heute, das Testdesign, die Testergebnisse oder die wissenschaftliche Institution, die sie durchgeführt hat (man weiss nur: es soll eine Tierklinik gewesen sein), zu veröffentlichen. Die Folgerung daraus: Die Tests hat es entweder nie gegeben oder sie waren nicht wissenschaftlich haltbar.
Die Verträglichkeit der Audiosignale für Menschen hat Beem gemäss eigener Aussage an einem SZU-Bahnhof in Zürich getestet. Dazu wurden unwissende Passanten beobachtet, ob sie auf ein unsichtbares, schwer zu verortendes Signal reagieren. Auch Details zu diesen Tests will Beem nicht veröffentlichen, behauptet aber auf dieser dünnen Grundlage, dass das Signal für Menschen nicht hörbar sei. Obwohl nachweislich falsch, war diese Behauptung bis vor wenigen Tagen auf der Website von Beem aufgeführt. Der IG PRG sind mehrere Fälle von Erwachsenen bekannt, die das Signal hören. Wenn es Erwachsene hören können, dann können es auch Kinder hören.
Weiter behauptete Beem, dass keinerlei Daten aus dem Gerät der Benutzerin ausgelesen werden. Nach erneutem Nachfragen hat sich aber herausgestellt, dass sehr wohl Daten ausgelesen werden, so beispielsweise Browser (was eigentlich nicht nötig wäre, da die Kommunikation über eine App funktioniert), Betriebssystem und Bildschirmauflösung.
Zwei mögliche Folgerungen drängen sich auf: Entweder hatte Beem bzw. Swisscom keine profunden Kenntnisse der Technologie oder sie haben mutwillig Fakten verdreht und geheim gehalten. Beides ist äusserst bedenklich bei einem Konsortium, zu dem fast alle grossen Medienkonzerne der Schweiz gehören und das Überwachungstechnologie hinter dem Rücken der Bevölkerung im öffentlichen Raum installiert.
Bei der erneuten Markteinführung im Oktober – vier Monate später als geplant – wird das hochfrequente Audiosignal zumindest vorerst nicht eingeschaltet. Damit entschärft Beem die wichtigsten Kritikpunkte. Warum die Bevölkerung Beem nach den falschen Informationen seit Ende Mai jetzt vertrauen sollte, ist nicht klar. Auch die Audio Recognition Technologie, die neben Bluetooth eingesetzt wird, ist darauf angewiesen, dass das Mikrofon eingeschaltet ist.
Ebenfalls nicht klar ist, weshalb hier ein Haufen Geld in die Hand genommen wird, um eine Technologie im öffentlichen Raum aufzustellen, die niemand will. Die Reaktionen der Leserinnen und Leser waren eindeutig ablehnende, entrüstet oder gar feindselig. Es wäre Zeit, dass die Werbebranche die Anliegen der Bevölkerung ernst nimmt.
Siehe auch: Die schwarzen Kästchen an Zürcher Bahnhöfen verschwinden wieder (Tages-Anzeiger)