Stadtzürcher AL reicht Motion zur Einschränkung von kommerzieller Aussenwerbung ein

Überall mehren sich die Zeichen, dass die Befreiung des öffentlichen Raums von den kommerziellen Interessen einiger weniger langsam in Fahrt kommt. Nachdem in der Romandie verschiedene Vorstösse erfolgreich waren, wird auch in Zürich dem Stadtrat Feuer unter dem Hintern gemacht. Heute hat die AL eine Motion zur Reduktion von kommerzieller Werbung eingereicht.

Nachdem die Aussenwerbeindustrie seit über 100 Jahren weitgehend unbehelligt allen Menschen ihre Erzeugnisse aufzwingen durfte, entscheiden sich immer mehr Städte und Gemeinden, dieser Selbstverständlichkeit einen Riegel zu schieben. Mit den Genfer Gemeinden Vernier und Lancy werden voraussichtlich 70’000 Menschen einen öffentlichen Raum ohne kommerzielle Werbung geniessen können. In diesem Jahr wurden Lausanne ein Postulat und in Bern eine Motion angenommen, die dasselbe Ziel verfolgen.

Zürich: Stadtrat missachtet Willen des Parlaments

In Zürich jedoch wehrt sich der Stadtrat (Exekutive) mit Händen, Füssen und zuweilen auch alternativen Fakten gegen jegliche Eingriffe in seine Hoheit, allerorts blinkende Werbescreens zu bewilligen. Obwohl der Gemeinderat (Legislative) zwei Postulate zur Reduktion von Aussenwerbung und dem Abbau der bestehenden Werbebildschirme gutgeheissen hat, bewilligt das Hochbaudepartement munter weiter neue Stromfresser und missachtet den erklärten Willen des Parlaments.

Die Antworten des Stadtrats auf die Postulate stehen aus und werden voraussichtlich auf den letzten Drücker, im September 2024 und März 2025, erfolgen. In der Vergangenheit haben die Stadträte André Odermatt (Hochbaudepartement) und Michael Baumer (Departement der Industriellen Betriebe) unmissverständlich klargemacht, dass sie sich auf die Seite der Partikularinteressen der Aussenwerbeindustrie stellen.

Alternative Liste reicht Motion ein

Deshalb macht die Alternative Liste vorwärts, ohne die Antworten abzuwarten. Weil solche Geschäfte immer eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen und die Gefahr besteht, dass in wenigen Jahren noch mehr klimaschädliche Werbescreens an jeder Ecke stehen, hat die Fraktion der Alternativen Liste im Gemeinderat heute, 17. April 2024, eine Motion zur Reduktion von kommerziellen Werbeflächen eingereicht. Vermutlich dauert es ein Jahr, bis es in dieser Sache weitergeht. Hoffentlich haben die Parlamentarier:innen bis dann begriffen, dass kommerzielle Aussenwerbung für die Konsumentinnen und Bürger immer ein Verlustgeschäft ist: Es fliesst immer weniger zurück an die Gemeinden, als wir über unseren Konsum für die Aussenwerbung bezahlen. Die KMU werden in jedem Fall übervorteilt durch das aktuelle Regime von riesigen regionen- und landesweiten Kampagnen von Grossunternehmen, die sich ungefragt in unser Sichtfeld und in unsere Hirne drängen.

Der Wortlaut der Motion:

Motion der Fraktion der Alternativen Liste
Der Stadtrat wird beauftragt, dem Gemeinderat eine Änderung der Bauordnung – oder
eine neue Verordnung – zwecks Regelung von Reklamen, die im öffentlichen Raum
sichtbar sind, vorzulegen. Diese strebt eine deutliche Reduktion der Reklameflächen
an und beschränkt diese auf
– den Aushang und die Beschriftung von Geschäften vor Ort,
– Werbung für lokale Veranstaltungen, für unkommerzielle Angebote oder zum
Zwecke der politischen Meinungsfindung, sowie
– Informationen der öffentlichen Hand.

Reklamebildschirme sowie Reklamen mit dynamischem Inhalt sind in keinem Falle
zulässig.

Übergangsbestimmungen regeln den Umgang mit bestehenden Bewilligungen und
Konzessionen.

Begründung
Werbung bringt zahlreiche negative gesellschaftliche Folgen mit sich, insbesondere
heizt sie die Konsumkultur an, und damit einhergehend auch der
Ressourcenverbrauch und somit die fortschreitende Umweltzerstörung und die globale
Erwärmung. Dies geschieht nicht nur bei offenkundig klimaschädlichen Produkten wie
Flugreisen oder Fast Fashion, für welche die Stadtverwaltung immer noch – und im
Widerspruch zu Art. 152 Abs. 2 der Gemeindeordnung – Werbeflächen auf öffentlichen
Gebäuden oder Fahrzeugen zur Verfügung stellt, sondern für fast alle dem
Überkonsum unterworfenen Gütern, deren Absatz mittels Werbung künstlich generiert
wird. Die meiste Werbung läuft also dem Ziel der Stadt Zürich, die indirekten
Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren, entgegen
.

Während bei Druckerzeugnissen mit störender Werbung die Möglichkeit besteht, auf
deren Lektüre zu verzichten, und bei elektronischen Medien Werbung auf dem Gerät
weitgehend blockiert werden kann, geschieht im öffentlichen Raum die Aussetzung
gegenüber Werbung unfreiwillig und ist deshalb besonders störend. Sie reduzieren die
Aufenthaltsqualität an öffentlichen Orten und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dies gilt
im Besonderen für Reklamebildschirme, welche der Stadtrat trotz der Überweisung
der Postulate 2022/317 und 2022/352 weiterhin bewilligt.

Die Bevölkerung braucht keine ständigen Erziehungsbotschaften durch die
finanzstarken, zu stetigem Umsatzwachstum gezwungenen marktwirtschaftlichen
Akteure. Sie weiss ihre Bedürfnisse gut ohne ständige Manipulationsversuche durch
Werbeversprechen zu befriedigen.