Die Plakatgesellschaften und die Stadt Zürich verweisen stets auf die zahlreichen Auflagen zum Betrieb von Aussenwerbung. Was sie verschweigen: Die Plakatgesellschaften brechen diese Regeln, die Stadt kontrolliert es nicht, und rapportierte Verstösse werden weder geahndet noch korrigiert. Am 2. Oktober 2024 hat die IG PRG deshalb beim Bezirksrat eine Aufsichtsbeschwerde gegen das Hochbaudepartement und das Departement der Industriellen Betriebe eingereicht.
2013 startete ein Pilotversuch mit zwei Werbebildschirmen. Begleitet wurde dieser von einer Strassenumfrage, an der pro Standort weniger als 100 Stadtzürcher:innen befragt wurden. Trotz gemischter Resultate zur Akzeptanz dieser neuen Werbeform, haben das Hochbaudepartement (HBD) und das Departement der Industriellen Betriebe (DIB) seither den Ausbau der Werbebildschirme vorangetrieben. Inzwischen sind es 700–800 Werbebildschirme auf Zürcher Stadtgebiet, etwa die Hälfte davon im öffentlichen Grund. Kritik hat die Stadt ignoriert oder mit Verweis auf die Reglementierung und ökologische Bemühungen beschwichtigt.
Jetzt zeigt sich: Das HBD und das DIB haben blindlings darauf vertraut, dass die Regeln eingehalten werden. Kontrollen führen sie nicht durch, oder zu wenig genau, und die Plakatgesellschaften nutzen das systematisch aus. Goldbach Neo OOH beispielsweise unterschreitet die reglementarische Minimaldauer einer Werbescreen-Ausblendung konsequent um 10–20%. Die Kreuzüberblendungen erreichen nirgends die geforderten 1,5 Sekunden, und die Animationen meist hektisch, anstatt wie vorgeschrieben ruhig und kontinuierlich. Leuchtdrehsäulen dürfen nicht schneller als eine Umdrehung pro Minute drehen, doch auch das unterschreitet Goldbach Neo OOH an vielen Orten um bis zu 30%.
Projizierte Effizienzsteigerungen von Werbescreens wurden von der Stadt nicht überprüft, bevor Hunderte neuer Bildschirme bewilligt wurden. Eine der Öffentlichkeit in Aussicht gestellte Ökobilanz wurden nicht in Auftrag gegeben. Sicherheits- und Qualitätskontrollen von Hunderten von Bildschirmen wurden nicht oder unzureichend durchgeführt, weshalb nach 2–3 Jahren, anstatt der vorgesehenen Betriebsdauer von über acht Jahren, alle die Bildschirme, Metallrahmen und Glasscheiben ausgewechselt werden – eine enorme Energieverschleuderung, ist doch die Grauenergie für die Herstellung und Entsorgung dieser Hardware der grösste Faktor beim CO2-Ausstoss und Energieverbrauch.
Wiederholt hat der Stadtrat ungenau, unzutreffend oder schlicht falsch informiert. So hat Stadtrat Odermatt beispielsweise dem Gemeinderat gesagt, dass für alle vom HBD bewilligten Werbescreens drei analoge Plakatstellen abgebaut werden. In der Tat betrifft dieser Abbau einige Dutzende Werbebildschirme, und nicht Hunderte, wie insinuiert.
Die IG Plakat | Raum | Gesellschaft ist der Ansicht, dass die Bevölkerung und die Gesetzgeber:innen erwarten dürfen, dass die Stadt die Einhaltung der Betriebsvorgaben der digitalen Werbeanlagen und ihrer Verträge mit den Plakatgesellschaften selbständig und unaufgefordert kontrolliert und dass systematische Verstösse bemerkt und geahndet werden. Doch die zuständigen Departemente weigern sich beharrlich, auf eigene Faust aktiv zu werden. Damit torpedieren die zuständigen Stellen nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern auch die vom Souverän beschlossene Nachhaltigkeitsstrategie der Stadt Zürich: auf symbolische Weise (warum Energie sparen, wenn an jeder Ecke Stromfresser aufgestellt werden?), direkt (durch den Stromverbrauch und Treibhausgasausstoss der Werbebildschirme) und indirekt (durch die Anheizung des Konsums durch Werbung).
Weiter ist die IG PRG der Ansicht dass die Bevölkerung und die Legislative erwarten dürfen, dass der Stadtrat sie sachlich, faktisch korrekt und verbindlich informiert und danach handelt. Beim Thema Aussenwerbung übernimmt der Stadtrat einfach die Narrative der Werbelobby. Dies zeigt sich auch in der zeitgleich zur Einreichung der Aufsichtsbeschwerde veröffentlichten Antwort des Stadtrats auf eine AL-Motion. Dort übernimmt der Stadtrat die krudesten und unbelegten Behauptungen aus dem Drehbuch von Aussenwerbung Schweiz, der Lobbyorganisation der beiden grössten Plakatgesellschaften.
Aus allen diesen Gründen hat die IG Plakat | Raum | Gesellschaft Anfang Oktober eine fünfseitige Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Die Stadtverwaltug hat seit einem Monat Kenntnis von den zahlreichen Missständen – korrigert ist bislang kein einziger, obwohl dies teilweise per Knopfdruck geschehen könnte.